Die eigene Biografie schreiben — so geht es leichter

Für viele ist die eigene Biografie (Autobiografie) das erste Buchprojekt, das sie in Angriff nehmen. Tipps für autobiografische Anfänger und Antworten auf häufige Fragen zum Schreiben der eigenen Biografie finden Sie bereits auf anderen Seiten von www.biographie-service.de. Hier geht es um drei grundsätzliche Haltungen, mit denen Sie sich das Leben erleichtern können, während sie Ihre eigene Biografie schreiben. Zu jeder dieser Haltungen erzähle ich Ihnen eine Geschichte.

I. Zuerst die größeren Steine

Vielleicht haben Sie schon einmal die Geschichte des Professors gelesen, dessen Studenten erzählten, sie hätte nicht genügend Zeit zum Lernen. Sie müssten arbeiten, um Geld zu verdienen oder seien mit persönlichen Problemen beschäftigt.

Steine beim Biografie schreiben

Der Professor stellte ein Glasgefäß auf sein Pult und begann, es nach und nach mit großen Steinen zu füllen. Als er den Rand des  Glases erreicht hatte, fragte er die Studenten, ob es voll sei.

»Ja, es ist voll« , antworteten sie.
Daraufhin holte er kleinere Steine hinter seinem Pult hervor und ließ sie zwischen die großen Steine fallen. Sie klackerten hindurch, bis sie am Boden des Glases angekommen waren und die Zwischenräume nach und nach auffüllten. Als auch keine kleinen Steine mehr hineinpassten, wiederholte der Professor seine Frage.
»Ja, es ist voll«, antworteten die meisten Zuhörer erneut.
Der Professor nahm jetzt einen Beutel Sand aus seiner Tasche und ließ ihn in das Glas rieseln. Nun war das Glas auch bis zum Rand mit Sand gefüllt.
War es aber ganz voll? Die meisten getrauten sich nicht mehr, zu antworten.

Und richtig: Der Professor füllte einen Krug mit Wasser und ließ es auf die Sand-Steine-Mischung laufen. Wie sich zeigte, passte auch noch eine gehörige Menge Wasser ins Glas.
»Was können wir aus diesem Experiment lernen?«, fragte der Professor zuletzt.
»Dass in unseren Kopf mehr hineinpasst, als wir denken?«
»Dass wir alles schaffen, wenn wir es richtig organisieren?«
Der Professor musste noch einen Hinweis geben: »Stellen Sie sich vor, ich hätte es andersherum versucht!«
Wenn er zuerst das Wasser ins Glas gefüllt hätte, wäre für nichts anderes mehr Platz gewesen!

Welche Geschichten müssen vorkommen?

Meistens wird diese Geschichte erzählt, um zu verdeutlichen, dass wir uns auf das konzentrieren sollten, was für uns wirklich wichtig ist. Wenn wir uns nämlich zuerst mit den kleinen Sorgen des Alltags beschäftigen, bleibt keine Zeit und keine Energie mehr für unsere großen Ziele. Umgekehrt erledigen sich die kleinen Probleme oft beinahe von selbst, wenn wir im Großen erfolgreich sind.

Was hat diese Geschichte aber damit zu tun, wie Sie ihre eigene Biografie schreiben können?

Die eigene Biografie schreiben -- OrientierungIch möchte Ihnen nahelegen, sich auch beim Schreiben ihrer Biografie zunächst auf das Wesentliche zu konzentrieren. Gehen Sie nicht chronologisch vor, sondern beschäftigen Sie sich zuerst mit den Episoden und Geschichten, die in Ihrer Biografie in jedem Fall vorkommen sollen. Konzentrieren Sie sich auf die Wendepunkte, die Entscheidungen und Schlüsselerlebnisse — und schildern Sie diese ausführlich und konkret. Sie entsprechen den großen Steinen im Glas. Die kleinen Steine, den Sand und das Wasser können Sie anschließend »dazwischenfüllen«, zum Beispiel schöne Begebenheiten, Anekdoten oder Reiseerlebnisse.

Wenn Sie sich zuerst auf die »großen Steine« konzentrieren, gelingt es ihnen leichter, die eigene Biografie zu schreiben, ohne sich im Nach-und-nach des Lebens und der Überfülle Ihrer Erinnerungen zu verlieren.

II. Originalität kommt später

Von Pablo Picasso kursiert folgende Geschichte:Picasso vor einem seiner Gemälde

Eine Frau erkannte den Maler auf einer Straße in Paris und bat ihn darum, sie zu zeichnen. Sie würde sofort dafür bezahlen. Picasso stimmte zu und fertigte mit wenigen Strichen ein Porträt von ihr an.
„Was schulde ich Ihnen?“, fragte die Frau.
„5000 Francs“, antwortete Picasso.
Die Frau war entsetzt: „Aber das brauchte nur drei Minuten!“
„Nein“, sagte Picasso, „es brauchte mein ganzes Leben.“

Diese Geschichte ist beliebt, weil sie verdeutlicht, was Können und Kunst bedeutet (und warum sie ihren Preis wert ist).

Sie zeigt auch, woher Meisterschaft und Originalität kommen: Von vielen Erfahrungen und einem lebenslangen Studium. Nur wenn Sie als Maler viele Erfahrungen gesammelt haben, können Sie das Wesentliche eines Gesichts in wenigen Strichen erfassen. Und nur wenn Sie sich gut mit Malerei auskennen, können Sie drei meisterhafte von drei „faulen“ Minuten unterscheiden.

Wenn Sie anfangen, sollten Sie also nicht versuchen, besonders originell oder erfolgreich zu sein (und das gleichsam auch noch in drei Minuten). Konzentrieren Sie sich statt dessen auf das Schreiben und lesen Sie viel. Denken Sie daran, wie Sie als Kind das Schreiben gelernt haben: Indem Sie die Buchstaben zuerst „abgemalt“ haben, also kopiert, nicht erfunden.

keine Schreibblockade Provozieren

Begehen sie nicht den Fehler eines Mannes, der in einem meiner Vorträge saß. Der wollte genau wissen, ob sein Schreibplan, den er mir in groben Zügen skizzierte, auch originell genug sei und Verkaufserfolge verspreche. Ich empfahl ihm, erst einmal mit dem Schreiben anzufangen, viel Autobiografisches zu lesen und den Schreibplan immer wieder seinen neuen Erfahrungen anzupassen. Er erwiderte: „Bevor ich nicht weiß, dass mein Buch gut und originell wird, fange ich erst gar nicht mit dem Schreiben an!“

Machen Sie es sich leichter! Beginnen Sie und freuen Sie sich, wenn Sie neue Erfahrungen machen. Lesen Sie, was Ihnen gefällt, und versuchen Sie, sich einige Tricks von den Meistern des Fachs abzuschauen. Kopieren Sie ruhig. Bemühen Sie sich nicht um falsche Originalität. Das würde Ihren Schreibfluss nur blockieren. Es gibt Geschichten, die nur Sie erzählen können. Wie das geht, können Sie lernen. Nach und nach werden Sie merken, was Ihnen gefällt und wie Sie Ihre eigene Biografie am besten schreiben können.

III. Zeigen und teilen

Vor einiger Zeit betreute ich eine Kundin, die ihre eigene Biografie schreiben wollte. Sie hatte vier Kinder und eine ganze Menge Enkel, für die sie ihr Leben dokumentieren und festhalten wollte. Das Buch sollte eine Überraschung werden. Nach und nach schickte sie mir die Kapitel zu, die sie geschrieben hatte. Ich lektorierte die Texte und gab ihr Tipps, wie sie weitermachen und vielleicht noch ein wenig spannender formulieren könne. Einmal traf ich mich mit ihr, um Fotos anzusehen und die Buchstruktur zu diskutieren. Sie achtete darauf, an diesem Tag keinen weiteren Besuch zu erhalten.

Obwohl an ihren Texten nichts auszusetzen war, verließ sie jedoch irgendwann der Mut. Sie fragte sich, ob sie ihren eigenen Ansprüchen an eine lesenswerte Autobiografie überhaupt gerecht werden könne. Sie nannte große literarische Vorbilder. Sie hatte ein wenig Angst vor der Reaktion ihrer Kinder, allesamt studierte Leute wie sie.

Als über längere Zeit keine neuen Kapitel von ihr in meinem Postfach lagen, rief ich sie an. Sie erzählte mir von ihren Selbstzweifeln. Welchen Wert habe diese ganze Arbeit, fragte sie mich? Ich erinnerte sie an die Gründe, die sie ursprünglich zum Schreiben motiviert hatten, und es gelang mir für eine Weile, sie zum Weiterschreiben zu bringen. Doch dann stockte ihre Arbeit erneut. Sollte ich die Gründe noch einmal wiederholen? Seit unserem ersten Gespräch waren ungefähr zwei Jahre vergangen.

Zuspruch und Interesse sind wichtig

Da kam mir der rettende Einfall: Ich überredete sie, entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, doch einen ihrer Söhne einzuweihen. Und sobald dieser den ersten Teil des Manuskripts gelesen hatte, ging alles ganz schnell: Der Zuspruch und das Interesse ihres Sohnes war die pure Energie für ihr Schreiben. Auch andere Familienmitglieder begannen, etwas zu ahnen, fragten nach, und plötzlich gab es keine Zweifel mehr, wozu und für wen dieses Buch geschrieben werden sollte. Innerhalb weniger Monate lag es in druckfrischen Stapeln auf ihrem Tisch.

Ermutigende Reaktion

Ein Buch entsteht nicht außerhalb von Zeit und Raum. Vielleicht wird es einmal in einer schönen Bibliothek stehen, doch nur selten wird es geschrieben, um dort zu stehen. Die eigene Biografie schreiben Sie vor allem wegen der Menschen, die sie lesen werden. Darum sollten Sie Ihren Freunden, Kindern und Enkeln von ihrem Vorhaben erzählen! Geben Sie Abschnitte und Kapitel in ersten Fassungen heraus. Vielleicht möchte jemand ihre Autobiografie als Fortsetzungsroman lesen? Verlassen Sie ab und zu ihren einsamen Schreibtisch, um zu zeigen und zu teilen, was Sie bereits geschafft haben. Das wird Sie motivieren.
(Konstruktive Kritik nehmen Sie auf und denken darüber nach, abwertende Bemerkungen ignorieren Sie!)

Wenn Sie fachlichen Rat suchen, helfe ich Ihnen gerne weiter:

Schreiben Sie wohl!
Ihr Stefan Kappner

 

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