Eine persönliche DDR-Geschichte

Gut zwei Jahre lang habe ich mit Dittmar May an seinen Erinnerungen gearbeitet. Nun erschien, kurz vor der Frankfurter Buchmesse, sein Buch im Berliner be.bra-Verlag. Der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg aus Cappenberg erzählt darin von seinen Erlebnissen in der DDR und einem Fluchtversuch im Kofferraum von US-Soldaten, die für ihn, seine Frau und seinen damals vierjährigen Sohn am Grenzübergang Drewitz endete.

Nach Verhören im Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen wurde er im Zuchthaus Cottbus und schließlich im Rummelsburger Gefängnis festgehalten, wo er als Arzt und Zahnarzt seine Mithäftlinge versorgte. So erfuhr er viel vom oft grausamen Alltag eines DDR-Gefängnisses und den Beweggründen vieler seiner Insassen und Angestellten. Erst nach knapp zwei Jahren wurden er und seine Frau von der Bundesrepublik freigekauft.

May erzählte nicht allein aus seiner Erinnerung. Stattdessen bezogen wir Sekundärliteratur, Stasi-Unterlagen und autobiografische Zeugnisse Dritter mit ein, sodass ein facettenreiches und informatives Bild von der dunklen Seite der DDR-Gesellschaft entstand.

Besonders spannend fand ich es auch, die Gründe herauszuarbeiten, die den aufgrund seiner beruflichen Stellung auch privilegierten Arzt dazu bewegten, Ostdeutschland den Rücken zu kehren und das Risiko einer Flucht auf sich zu nehmen. »Freiheit« ist eben nicht nur ein Wort oder ein abstrakter Wert in einer offenen Gesellschaft, Freiheit ist für viele Menschen eine Grundvoraussetzung für gutes Leben, ein Bedürfnis, das sich mit sozialer Sicherheit nicht einfach ruhigstellen lässt. Dittmar May wollte „runter von der Birkenallee“ eines vorgeschriebenen und vorhersehbaren Lebens.

Dittmar May: Runter von der Birkenallee. Ein Stasi-Häftling und Gefängnisarzt auf dem Weg in die Freiheit
336 Seiten, Paperback
22,– €
ISBN 978-3-86124-720-3