Neue Dinge und Entwicklungen bringen neue Wörter hervor. Eines dieser neuen Wörter, das mich natürlich besonders interessiert, ist die Bezeichnung “Privatbiografie” oder ”Privatbiographie” (Sie können zwischen “f” und “ph” wählen). Es steht noch nicht im Duden.
Keine Privatleben-Biografie
Man könnte meinen, mit einer Privatbiografie sei das Gegenteil einer Berufsbiografie gemeint. Eine Privatbiografie wäre in diesem Sinn also eine Biografie, die besonders das Privatleben der beschriebenen Person beleuchtete. So wird das Wort auch tatsächlich benutzt, wenn auch nur selten, zum Beispiel in einem Buch über das Privatleben Hitlers, das sich der Beschreibung nach zu urteilen auf geschmacklich unsicherem Gebiet bewegt. Eine solche “Privatbiografie” würde demnach, statt ein komplettes Lebensbild zu zeichnen, gerade diejenigen Aspekte eines Lebens ver-öffentlichen, die bislang privat (oder intim) geblieben sind: Indiskretion als Programm.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
In der Regel ist eine “Privatbiografie” aber das genaue Gegenteil, nämlich ein Lebensbericht, der gerade nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, sondern allein für die Familie, Freunde und Bekannte, vielleicht auch für Geschäftspartner, das heißt für Leser, die dem Autor oder dem Erzähler persönlich bekannt sind. “Privat” meint also das Gegenteil von “öffentlich”, oder genauer: “veröffentlicht”. Wer sein Buch nämlich veröffentlicht (man sagt auch: ein Buch “erscheint”, und meint damit: im “offenen” Raum der Öffentlichkeit), der entlässt es aus diesem vertrauten Kreis. Ein veröffentlichtes Buch kann von jedem gelesen werden, und damit sind bestimmte Einschränkungen und Diskretionen verbunden, die verhindern sollen, dass sich der/die Autor/in (der/der ja zugleich Hauptperson ist) selbst schadet, oder anderen, die er erwähnt, und deren Lebensgewohnheiten er vielleicht gegen ihren Willen in der Öffentlichkeit preisgibt.
Viele Menschen spüren den legitimen und berechtigten Wunsch, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, um wichtige Erinnerungen und Erlebnisse festzuhalten und für Kinder, Enkel oder einen anderen zuvor bereits bekannten Personenkreis zu bewahren. Sie schreiben ihre Autobiografie, möchten sie aber nicht in einem Verlag veröffentlichen, sondern im privaten Umfeld behalten: damit handelt es sich also um eine Privat-Biografie. (Die genauere Bezeichnung “Privat-Auto-Biografie” fiel wohl ihrer Länge zum Opfer).
Ein neues Wort für eine neue Branche
Und wer hat das Wort erfunden? Nach meinen Beobachtungen waren es Leute wie ich, die ihre Dienste als professionelle Autoren anbieten, und Menschen dabei helfen, Privatbiografien zu erstellen. Denn wir müssen ständig erklären, dass viele der Bücher, die wir schreiben und lektorieren, nicht für den Buchmarkt gedacht sind, sich demnach auch nicht durch den öffentlichen Verkauf finanzieren lassen. Unser Beruf und die “Biografie für den privaten Raum” sind recht neue Bausteine in der Gegenwartskultur: Um sie besser erklären zu können, wurde ein neues Wort geprägt.
Ein Hoch auf die “Privatbiografie”!